Intensive Gemeinschaft  –  das Leben zum Blühen bringen

1978 bin ich in meine erste Gemeinschaft gezogen. Sie war sehr intensiv und hat mein Leben richtig in Schwung gebracht. Vorher hat ich viel mit Depressionen zu tun, durch das Leben in der Gemeinschaft habe ich gestaunt wie viel Energie und Initiative in mir geschlummert haben. Seitdem hat mich das Thema intensive Gemeinschaft nicht mehr los gelassen. Insgesamt habe ich dann 20 Jahre in 3 verschiedenen Gemeinschaften gelebt, die aber alle ihre Intensität und Zusammenhalt durch einen Guru/Lehrer und einer gewissen ideologischen Ausrichtung geholt haben. Irgendwann war für mich das Thema Guru/Lehrer erledigt, wollte ich herausfinden, wie es geht diese Intensität in Gemeinschaft ohne diese (nachteiligen) Hilfsmittel zu verwirklichen. 2004 stieß ich auf das Buch von Scott Peck über die Gemeinschaftsbildung, dessen Inhalte und der Idee der „group of all leaders“ mich sofort sehr fasziniert haben. Da es in Deutschland keine Workshops gab, bin ich nach San Francisco geflogen um den Prozess in der Praxis zu erleben. Die Erfahrung war ein bisschen enttäuschend, ich hatte es mir nach dem Lesen des Buches einfacher vorgestellt. Trotzdem hat mich der Prozess ausreichend fasziniert um dran zu bleiben und es begann ein langer Weg die Elemente der Gemeinschaftsbildung zu erlernen, zu verinnerlichen und auch zu verstehen, was da eigentlich in diesem Prozess abläuft, wie er funktioniert und wie man ihn leichter und weniger verwirrend den Prozess für die Teilnehmer begleiten kann. Ich begann dann bald mit Unterstützung von ein paar Menschen aus Siebenlinden das Buch von Scott Peck „Gemeinschaftsbildung  –  der Weg zu authentischer Gemeinschaft“ ins Deutsche zu übersetzen und herauszugeben. Seitdem ist viel passiert, haben sich viele fortlaufende gemeinschaftsbildende Gruppen gebildet und auch einige Gemeinschaften nutzen den Prozess in erster Linie Schloss Tempelhof, Jahnishausen und Schloss Glarisegg.

Auf Grund meiner persönlichen Gemeinschaftserfahrungen und den Einblicken in die verschiedenen Projekte, die ich durch meine Begleitung des gemeinschaftsbildenden Prozesses nach Scott Peck kennen gelernt habe, habe ich immer wieder erlebt, wie wichtig es ist, dass eine Gruppe regelmäßig in eine Offenheit und Tiefe zu einander findet.  Sonst ist die Gefahr groß, dass das Beziehungsflecht versandet, sich ungelöste Konflikte und Probleme aufstauen. Die gängige Lösung dafür ist, dass Gemeinschaften Intensivzeiten durchführen, wo sich alles wieder reinigt und Gemeinschaftsenergie aufgetankt wird, die gegenseitige Unterstützung in der persönlichen Entwicklung stattfindet. Meine Forschung und  persönlichen Bedürfnisse gehen in eine andere Richtung. Für mich braucht es eine größere Kontinuität, das heißt konkret, dass sich eine Gruppe von Mo-Do für 3-4 Abende trifft und zwar möglichst in kleinen Gruppen von 4-8 Menschen. Damit habe ich die besten Erfahrungen gemacht. Das ist natürlich ein großer Einschnitt in das persönliche Leben, ein hoher zeitlicher Preis, der bezahlt werden muss. Aber nach meinen Erfahrungen lohnt es sich. Man tankt dadurch  energetisch sehr regelmäßig auf, wodurch das eigene Leben mehr in Schwung kommt. Und man bekommt von den anderen sehr kontinuierliche die Impulse für die persönliche Entwicklung, ist die gegenseitige Unterstützung optimal.

Zuerst habe ich in Urlauben mit diesem Setting experimentiert, was sehr erfüllend war. Teilnehmer haben teilweise nachher gesagt, dass sie noch nie so einen schönen Urlaub hatten. Oder sie haben darüber geweint, dass sie so ein Gemeinschaftleben nicht in ihrem Alltag haben. Dann habe angefangen es umzusetzen in dem Gemeinschaftsprojekt Schloss Oberbrunn/Chiemsee, dass ich vor 2,3 Jahren initiiert habe. Das war nicht so leicht, hat es mehrere Anläufe gebraucht bis ich den richtigen Weg der Umsetzung gefunden habe. Das Problem ist, dass Menschen erst mal ausprobieren müssen, ob so eine Setting etwas für sie ist. Das geht im Urlaub leicht, im Alltag steht der Beruf und das Eingebunden sein in Familie, Freundschaften und Kindern  im Wege. Das heißt das Ausprobieren geht eigentlich nur mit Menschen, die in der Nähe wohnen. Es hat etwas gebraucht bis ich zu der Einsicht gekommen bin, obwohl das Umsetzen eigentlich gar nicht so schwer ist. Man macht ein bisschen Werbung, probiert Abende aus, fängt dann mit den Intensivwochen 1-2 Mal im Monat an und erhöht dann wenn die Leute Feuer gefangen haben und erleben, dass es ihnen viel gibt, ihr Leben in eine gute Bewegung kommt. Das Zusammenleben kommt dann erst viel später. Durch verschiedene Umstände habe ich mit meinem Projekt anders begonnen, habe zuerst die Immobilie erworben. Die Gründergruppe von vier Leuten ist dann schnell auseinander gefallen und ich stand mit dem Projekt alleine da. Offensichtlich braucht es viel Geduld bis sich die Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen nach intensiver Gemeinschaft gefunden haben. Nach den anfänglichen Misserfolgen ist es jetzt ein schöner und erfüllender Weg geworden.


Schloss Oberbrunn, Juli 2013      Götz Brase



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